Lajos Kassák (1887–1967) vor 130 Jahren in der heutigen Slowakei (ehem. Érsekújvár) geboren, vor 50 Jahren in Budapest verstorben. Ein typisches ’Produkt’ der k.u.k. Zeit?
Bestimmt davon geprägt und dazu ein experimentierfreudiger, kritischer, aufbegehrender Geist, ein Künstler, der auch heute noch als ’unbekannt’ bezeichnet werden muss. Und das auch wenn z.B. sein Poem „Das Pferd stirbt und die Vögel fliegen aus” zum gymnasialen Lehrstoff in ungarischer Literatur gehört. Kassák war aber nicht nur Schriftsteller, er war bildender Künstler, vorrangig Maler, Herausgeber-Redakteur, ein politischer Mensch, der eben aus diesem Grund nach Niederschlagung der Räterepublik 1919 ins Exil ging.
Nun soll er entsprechend gewürdigt, wiederentdeckt werden: in zeitgleich drei Ausstellungen, wo diese vielseitige Persönlichkeit von möglich allen ihren Seiten beleuchtet wird. Das Literaturmuseum Petőfi (ungarisches Kürzel PIM) setzt sich mit Lajos Kassák dem Schriftsteller auseinander: Kassákizmus 1. NEUE Kunst. Die in Wien ab 1916 herausgegebene Zeitschrift MA (Heute) im internationalen Kontext der Avantgarde (ab. 12. Oktober). Unter der Schirmherrschaft von PIM sind auch das Kassák-Museum in Óbuda und Theater/Schauspieler-Museum Gizi Bajor in Buda tätig. Im Kassák-Museum wird ab 19. Oktober unter Kassákizmus 2 der NEUE Kassák anhand des schon erwähnten Poems „Das Pferd stirbt…..durchleuchtet. Im Gizi Bajor-Museum geht es ab 26. Oktober um Kassákizmus 3, das NEUE Drama, die NEUE Bühne. Die Theaterexperimente der ungarischen Avantgarde.
In Ungarn nach 1919 unerwünscht, dafür in Wien in Kontakt mit Tzara, Archipenko, schon in seinen Pariser Jahren 1907–1910 mit Apollinaire, Picasso u.a. war Kassák nach 1950 in Ungarn ein ähnliches Schicksal beschieden: sein literarischer Werk so so akzeptabel, seine bildende Kunst, großformatige abstrakte Gemälde überhaupt nicht; im besten Fall galten sie als elitär. Die Avantgarde setzte sich über Konventionen hinweg, kritisierte und das mochten die Granden des Regimes, so auch János Kádár nicht.
In das Schaffen Lajos Kassáks, in den Kassák-ismus möge sich jeder, Gymnasiast und Professor, Student und interessierter Laie in den kommenden Wochen in den drei obig genannten Budapester Museen vertiefen.
Wie im Kunstbetrieb üblich ist alles Ungarisch und Englisch untertitelt, beschriftet. Auf meine Frage, ob Deutsch nicht auch dazugehören müsste, antwortete PIM-Hauptdirektor Gergely Pröhle, dass eine Dreifachbeschriftung den verfügbaren Ausstellungsrahmen sprengen würde, man aber über eine neu zu konzipierende Ausstellung in Wien nachdenke.