Schlechte Verfassung – Ungarn am Scheideweg

Die Krise in Ungarn, die auch eine ökonomische ist, verschärft sich von Tag zu Tag. Getragen von der Regierung Orbán, macht sich Nationalismus und Fremdenhass breit. Im Kulturbetrieb, an den Universitäten, in den Medien wird die Meinungsfreiheit zur Farce. Wir sprechen mit Journalisten, mit Theaterleuten, dem Leiter der Orbán-nahen „Akademie der Künste”, die auch in Krisenzeiten finanziell gehätschelt wird, und mit Ágnes Heller, der großen alten Dame der ungarischen Philosophie. Um den Bericht des 3SAT-Fernsehens anzuschauen, bitte hier klicken.

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Autoren protestieren gegen Rechtsruck in Ungarn

News vom Donnerstag, 28.03.2013

Nach der umstrittenen Verfassungsreform in Ungarn fordern Autoren, Theaterleute und bildende Künstler stärkeren politischen Druck auf die Regierung in Budapest. „Ungarn verwandelt sich unter der Regierung Viktor Orbáns in ein Rechtsregime, Europa schaut zu”, heißt es in einer Erklärung.

Unter anderen haben diese die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, der Komponist Helmut Lachenmann sowie die Regisseure Ulrich Khuon und Roberto Ciulli unterzeichnet. In ihrem Aufruf, der in der April-Ausgabe der Zeitschrift „Theater der Zeit” erscheint, schlagen die rund 50 Initiatoren einen Kongress „zugunsten eines demokratischen und republikanischen Ungarns” in Wien vor. Von dort aus solle „eine mächtige Druckwelle der Gegenöffentlichkeit” ausgehen. Zu den Unterzeichnern gehören auch die Schauspieler Matthias Brandt, Burghart Klaußner und Edgar Selge, die Choreografen Susanne Linke und Johann Kresnik, der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel und der Autor Christoph Hein.

Das Parlament in Budapest hatte mit der Zweidrittelmehrheit der rechtskonservativen Koalition die Verfassungsänderungen beschlossen. Aus Sicht von Kritikern schränken sie die Befugnisse des Verfassungsgerichts ein und geben der Regierung mehr Möglichkeiten, in die Justiz einzugreifen.

 

Ungarns Regierung ehrt Antisemiten mit Orden

News vom Montag, 18.03.2013

Ungarns rechtskonservative Regierung hat hohe staatliche Auszeichnungen an Personen vergeben, die für ihre antisemitischen und rechtsextremen Äußerungen bekannt sind. Nach ungarischen Medienberichten erhielt der Fernsehmoderator Ferenc Szaniszlo zum Nationalfeiertag am 15. März 2013 den Tancsics-Preis, die höchste staatliche Ehrung für Journalisten.

Szaniszlo hatte in dem der Regierungspartei Fidesz nahestehenden Sender Echo TV antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet und die Minderheit der Roma als „Menschenaffen” diffamiert. Die staatliche Medienaufsichtsbehörde hatte den Sender deshalb 2011 mit einer Geldstrafe belegt.

 

Archäologe behauptet, Jesus war kein Jude

Mit dem Verdienstorden ausgezeichnet wurde der Archäologe Kornel Bakay, der von Jesus Christus behauptet, er sei kein Jude, sondern ein Prinz aus dem – angeblich mit den Ungarn verwandten – alt-iranischen Volk der Parther gewesen. Außerdem unterstellt er den Juden, im Mittelalter Sklavenhandel organisiert zu haben.

Das Goldene Verdienstkreuz erhielt der Leadsänger der Rockband „Karpatia”, Janos Petras. Die Formation gilt als die „Hausband” der rechtsextremen Parlamentspartei Jobbik. Sie schuf auch den Marsch für die inzwischen verbotene, von der Jobbik ins Leben gerufenen paramilitärischen Ungarische Garde. Die Band besingt in ihren Texten die „unbefleckte Nation” und ruft zu gewaltsamen Veränderungen der Grenzen Ungarns auf.

 

Keine Aberkennung der Auszeichnungen

Der für die Preise zuständige Minister für menschliche Ressourcen, Zoltan Balog, nannte die Ehrung Szaniszlos „bedauerlich”. Er habe von den antisemitischen Äußerungen des Fernsehmannes nicht gewusst, sagte er. Für eine Aberkennung der Auszeichnung gebe es aber keine juristische Handhabe. Zu den anderen umstrittenen Ehrungen äußerte sich Balog nicht.

Aus Protest gegen die Vergabe des Journalisten-Preises an Szaniszlo gaben mehr als zehn frühere Tancsics-Preisträger ihre Auszeichnung zurück. Oppositionelle Kommentatoren werteten die Ehrung rechtsextremer Persönlichkeiten als Geste der Regierung an die Jobbik und an die extreme Rechte.