Ausstellungstipp: Szemérmetlen prüdéria – Unkeusche Prüdrie

Unter obigem (provokanten) Titel kann im Apsissaal des Auktionshauses BÁV in der Budapester City (BÁV Apszisterme, 1054 Budapest, Bécsi utca 3)  bis zum 31. Juli die Ausstellung mit der Öffentlichkeit eher unbekannten Aktgrafiken Gyula Hincz’ (1904-1986) besichtigt werden.

 

Hincz, der in Budapest geboren und auch dort studiert hat, absolvierte seine ’Wanderjahre’ wie die meisten Künstler in Paris und Berlin, arbeitete und lernte im Collegium Hungaricum Rom, war Professor und Rektor der Kunsthochschule Budapest. Der Künstler war allem Neuen aufgeschlossen, probierfreudig. Er zeichnete, malte  und betätigte sich auch als Bildhauer, schuf u.a. das 16-teilige Glasmosaik im Festsaal der Corvinus Universität in Budapest.

Die wichtigste Sammlung mit Hincz-Werken befindet sich in Vác (ca. 30 km nördlich von Budapest am linken Donauufer gelegen): 1980 hatte der Künstler der Stadt 107 seiner Werke geschenkt, weitere 100 vertraute der Neffe Jenő Hincz dem Vácer Museum nach dem Tod des Künstlers an. Heute können diese und noch mehr Werke als Dauerausstellung dort im Pannonia Haus besichtigt werden.

In den meisten Biografien steht, dass Ehefrau Anna die Muse des Meisters war, nach deren Tod 1983 Gyula Hincz nicht mehr zum Pinsel gegriffen hat.

Die gegenwärtige Ausstellung im Apsissaal ist allerdings den jahren 1960-67 gewidmet, den Jahren, als Margit Bene, Sekretärin an der Hochschule, Gyula Hincz’ heimliche Muse war. Ein Ergebnis dieser Schaffensperiode sind die über 50 Aktdarstllungen, die nun von Eszter Ágnes Szabó kuratiert im Betrachter viele Feagen aufwerfen.

Was ist Erotik? Was ist erotisch? Nein, diese Zeichnungen sind nicht erotisch! Man denke aber z.B. an Picasso, der seine jeweiligen Geliebten nicht zu deren Vorteil porträtiert hat. Sie reagierten beleidigt, verletzt. Warum Gyula Hincz diese nicht anregenden Körper gezeichnet hat? Die Sexualpsychologin Dr. Krisztina Hevesi half den versammelten Betrachtern auf die Sprünge. Es könnte um die Form gegangen sein, um die natürliche Darstellung, die Natur, das einfach Sichtbare, das von der Kunst widerspiegelt wird. Und was sehen wir, die Betrachter, in einem Bild, einem Kunstwerk?

Nacktheit, die schon immer Thema der Künste war.  Es geht um das Verhältnis von Nacktheit und Kunst, weitergedacht um das Verhältnis des Menschen zu seiner, der anderen Nacktheit. Nackt waren schon die Menschen in den Höhlenzeichnungen vor 34 000 Jahren, der Kult des nackten, formvollendeten Körpers prägte die Kunst der Antike, es folgte das prüde, verklemmte Verhältnis zum  eigenen Körper im Mittelalter, auch wenn die katholischen Kirche recht viel gemalte Nacktheit in den Gotteshäusern darstellen ließ.  Das Auf und Ab in der künstlerischen Darstellung der Nacktheit kann bis in die Gegenwart verfolgt werden, bis zum heute Top-Problem genannt Gender.

Provokant und witzig äußerte sich die Künstlerin Andrea Fajger-Dudás, ein Koloss von einer Frau, strahlend optimistisch, die sich etwas untertrieben als molett bezeichnete zur Nackheit (ihrer eigenen, die des weiblichen, aber auch männllichen Körpers). Ihr eigener Körper sei ihre Muse, genauso natürlich sei es, dass eine Künstlerin einen Mann als ihre Muse haben darf, so den eigenen Mann, aber nicht immer und unbedingt.

Ohne ihr bisheriges Schaffen zu kennen, müssen Serien mit ausschließlich weiblichen Brüsten oder Performances mit dem eigenen Fett mehr als provokant sein, aber unbedingt zum Nachdenken anregen. Warum fühlen sich viele von uns irgendwie angespannt, ja unwohl  beim Anblick von Nacktheit – der konkreten oder/und der dargestellten?

Tja, warum? Aus den Medien strömt eine Flut von Nacktheit auf uns zu. Und was sehen unsere Augen  gerade jetzt bis über 30 Grad im Strandbad? Also das möchte ich erst gar nicht in Worte fassen: Strört mich Nacktheit? Oder bin ich nur alt und verklemmt? Was empfinde ich beim Anblick der über 50 Aktzeichnungen in der Ausstellung ’Unkeusche Prüderie’ im BÁV-Aspissaal in der Budapester City?

Das bleibe mein Geheimnis.